Die Projektidee

Die Lots:innenschulung will Schlüsselpersonen aus migrantisierten Communities ausbilden und begleiten, damit diese in ihren Communities niederschwellige Informationskampagnen zu bestehenden Regelangeboten der Altenhilfe, Altenpflege und Gesundheit- und pflegerischer Versorgung im Kreis Herford durchführen können. Die Senior:innen sollen dadurch die Angebote der Regelversorgung in gleichem Maße nutzen können, wie die Senior:innen der Mehrheitsgesellschaft, d.h. der heimischen Bevölkerung.

Grußwort des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, MdB Stefan Schwartze zur Lots:innen Ausbildung am 01.09.2022

Jetzt Lots:inn werden

  • Wir suchen Sie, wenn Sie:
    neben der deutschen Sprache noch eine weitere Sprache gut beherrschen.
  • Interesse an Gesundheitsthemen haben.
  • sich im Bereich Alter und Pflege weiterinformieren möchten.
  • ältere Menschen, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben gerne unterstützen.
  • aktiv und bekannt in einer Community sind.
  • bereit sind regelmäßig an der Schulung teilzunehmen.
  • Informationen in der eigenen Muttersprache weitervermitteln können.

Das Lots:sinnenprojekt richtet sich an mehrsprachige Akteur:innen, die sich in migrantisierten Communities engagieren und hier mit Senior:innen und ihren Angehörigen vernetzt sind. Sie haben in der Regel einen hohen Sozialindex und genießen die Anerkennung ihrer Community und sind mit ihren jeweiligen Lebenswelten und Lebenssituation vertraut. Hervorzuheben ist dabei die Zusammensetzung der Teilnehmer:innen. Diese engagieren sich alle in unterschiedlichen – entsprechend ihrer Selbstbezeichnung – muslimischen, kurdischen, türkischen, afrikanischen, arabischen und/oder kurdischen Communities und erleben dabei teils unterschiedliche, teils ähnliche Marginalisierungserfahrungen.

Lotsinnen Hände neu

Lots:innen

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  • sind Wegweiser bei Fragen über die Versorgung älterer Menschen.
  • können ihre Landsleute besser verstehen, begleiten & beraten.
  • kennen die kulturellen Hintergründe.
  • können Fragen sinngemäß und einfach übersetzen oder beantworten.
  • Informieren und führen Verweisberatungen durch.
  • erklären ihren Landsleuten z.B. was eine
    Tagespflege oder Pflegeberatungsstellen ist.
  • können Infoveranstaltungen in der eigenen Gemeinde geben.

Ziel der Lots:innen Ausbildung

Ziel der Lots:innen Ausbildung ist es, die Lots:innen durch die Schulungen und Begleitungen zu befähigen, Senior:innen und ihre Angehörigen aus dem Kreis Herford niederschwellig, ggf. in ihrer Muttersprache, zu gesundheitlichen Fragen rund um das Thema Alter und Pflege zu informieren, begleiten und zu unterstützen. Das Lots:innenprojekt dient damit primär der Aufklärung und Information über Rechte, Ansprüche und Bedarfe der Zielgruppe.

Am Ende der Ausbildung werden Sie als Lots:sinnen in der Lage sein, informative und empowernde Maßnahmen und Prozesse – insbesondere in ihren Communities – professioneller und diskriminierungskritischer zu gestalten und Betroffene aus den Communities of Color als erste Kontakt- und Anlaufstelle aufzufangen, zu beraten und an hauptamtliche Beratungsstrukturen zu vermitteln bzw. dorthin zu begleiten.

Zentrales Anliegen des Projektes ist, die eigenen Kompetenzen, die Sie als Teilnehmer:innen mitbringen, zu stärken und zu fördern. Das Projekt möchte Sie als Teilnehmer:innen, d.h. als Expert:innen ihrer selbst weiter professionalisieren und für diese Arbeit aktivieren.

Erste Schritte im Projekt

Mit einer Auftaktveranstaltung als Kick-off startet das Projekt im September 2022. Sie dient der Begrüßung und dem Kennenlernen der Lots:sinnen und der Einführung in das Thema. Die Schulung findet voraussichtlich an fünf Terminen statt, ein wöchentlicher Termin á 3 Stunden.

Fünf zentrale Themen bilden das Grundgerüst für die Schulungen:

Auftaktveranstaltung am Donnerstag, den 1. September

Thema 1: Donnerstag, 8. September
Der allgemeine Rahmen: Das deutsche Gesundheits- und Pflegesystem; Migration und Gesundheit

Thema 2: Dienstag, 13. September
Pflege: Möglichkeiten der Regelversorgung im Bereich Pflege im Kreis Herford für Menschen mit Einwanderungsgeschichte, Übersicht über Strukturen, Leistungen, Anlaufstellen

Thema 3: Mittwoch, 21. September
Seelische Gesundheit bei Senior:innen mit Einwanderungsgeschichte; Übersicht über psychosoziale Bedarfe und Belastungen, psychosoziale Unterstützungsmöglichkeiten

Thema 4: Dienstag, 27. September
Bedarfssensible Pflege und Kommunikation

Thema 5: Samstag, 22. September
Der Weg in die Praxis: Didaktik und Medieneinsatz für Workshop & Informationsveranstaltungen Kommunikation und Selbstfürsorge, klar reden, selbstsicher und emphatisch auftreten, Stressreduktion organisatorische Hinweise für die Durchführung von Informationsveranstaltungen, weitere Handlungsschritte planen und exemplarische Durchführung

Besonderes Augenmerk in den Schulungen legen wir dabei innerhalb der jeweiligen Themen auf die Sichtbarmachung von allgemeinen Bedarfen der Zielgruppe und auf das Aufzeigen von Ansprüchen und Unterstützungsmöglichkeiten. Ein weiteres Anliegen ist Transparentmachung von Angeboten, Beratungsstrukturen für die Zielgruppe, um eine Verweisberatung zu ermöglichen.

Die Schulungen werden von Fachreferent:innen – beispielweise Psycholog:innen – durchgeführt, die eine Bezug zu Menschen mit Einwanderungsgeschichte haben.

Gemeinsam mit dem Team „Guter Lebensabend im Kreis Herford“ entwickeln die Teilnehmer:innen danach eigene Kampagnen, um ihre Communities aufzuklären, ihr neu erworbenes Wissen weiterzugeben und als zukünftige Ansprechperson sichtbar zu werden.

Die Lots:innen erhalten eine Aufwandsentschädigung von voraussichtlich 100 € je Kampagne und zur Evaluation und Dokumentation einen standardisierten Veranstaltungsbericht für jede Kampagne. Der weitere Austausch, Vernetzung und Unterstützung der Lots:innen im Anschluss an die Maßnahme werden in Vernetzungs- und Austauschtreffen gewährleistet.

Das Lots:innenprojekt soll im Jahr 2023 wiederholt werden.

Bedarfe und Kontext

Migrant:innen erkranken häufiger und sind oft nicht ausreichend über das deutsche Gesundheits- und Pflegesystem informiert. Aufgrund sprachlicher und struktureller Barrieren können sie Gesundheitsangebote weniger in Anspruch nehmen, mit der Folge, dass es zur Fehl- oder Unterversorgung kommen kann.

Durch den Zugang zu Angeboten der Prävention und Gesundheitsförderung im Kreis Herford soll die Chancengleichheit der Zielgruppe, aber auch des Umfeldes verbessert werden. Dem Projekt liegt der Ansatz zu Grunde, dass Betroffenen-Communities eine Vielzahl von Kompetenzen, Erfahrungswissen und Handlungsmöglichkeiten innehaben, die insbesondere in der eigenen kulturellen und religiösen Zugehörigkeit, aber auch in den eigenen Diskriminierungserfahrungen wurzeln.

Die erste Generation der Migrant:innen, die im Rahmen der Anwerbeabkommen seit 1955 nach Deutschland kamen, hat schon seit einiger Zeit das Seniorenalter erreicht. Jede:r achte Einwohner:in Deutschlands hat mittlerweile eine Zuwanderungsgeschichte. Dennoch befinden sich viele Zugewanderte im Vergleich zur Mehrheitsbevölkerung nach wie vor in einer benachteiligten Position in Bezug auf ihre Gesundheitschancen.

Im Jahr 2018 betrug der Anteil der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte 34,8% an der Gesamtbevölkerung im Kreis Herford was den Kreis Herford knapp unter dem NRW-Durchschnitt von 25,8% liegen lässt. Von der Altersgruppierung her, sind Menschen aus der Türkei im Kreis Herford durchschnittlich am ältesten, Menschen aus Rumänien und auch Bulgarien am jüngsten.

Menschen mit Einwanderungsgeschichte, die älter als 65 Jahre sind, unterliegen aufgrund ihrer Lebensbiografie spezifischen Belastungen. Dies können gesundheitliche Beeinträchtigungen aus dem Berufsumfeld, ein erhöhtes Unfallrisiko oder Arbeitslosigkeit sein. Aber auch psychische Belastungen aufgrund der Migration, Identifikationsprobleme, Generationenkonflikte sowie Diskriminierungserfahrungen prägen die Menschen im Laufe ihres Lebens.

Die Diskussion über Zugangshindernisse von Menschen mit Einwanderungsgeschichte zur medizinischen Regelversorgung – und damit auch zu Altenhilfe- und Altenpflegeangeboten – ist nicht neu und stellt nach wie vor eine sehr große Herausforderung dar. Trotz einiger erfolgreicher Ansätze ist es aber bislang nicht gelungen, die Zugangsbarrieren zur Regelversorgung für Menschen mit Einwanderungsgeschichte flächendeckend und nachhaltig abzubauen. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich für ältere Menschen mit Einwanderungsgeschichte im Bereich komplementäre Versorgung, sprich mobile und komplementäre Pflege außerhalb von Familie.

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Kooperationspartner

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Die Lots:innenschulung ist eine Projektmaßnahme des Modellprojektes „Guter Lebensabend NRW“ im Kreis Herford, welches in Kooperation zwischen der Integrationsagentur des DRK Kreisverbandes Herford-Stadt e.V., dem Kommunalen Integrationszentrum und der Stabstelle Gesundheitsplanung des Kreises Herford durchgeführt wird.

Das Lots:innenprojekt wird finanziert durch „Unser Herz schlägt hier – Stiftung für die Bürger im Kreis Herford“.

„Gesellschaftliches, ehrenamtliches Engagement sowie die finanzielle Förderung von gemeinnützigen Projekten werden angesichts der Kürzungen der öffentlichen Hand immer bedeutender. Viele wichtige Projekte in unserer Region sind sonst nicht mehr finanzierbar. Es werden Menschen und Unternehmen gebraucht, die sich für ihren Kreis und ihre Stadt einsetzen, um so eine möglichst große Vielfalt in Bereichen wie Bildung, Sport, Kunst & Kultur und Sozialem zu erhalten.“

Die Förderung dieser Vielfalt hat sich die Bürgerstiftung „Unser Herz schlägt hier“ zum Ziel gesetzt. Förderschwerpunkte der Stiftung sind die Themen Migration, Bildung, Familie, Demografie.

https://stiftung-uhsh.de/

Das Modellprojekt „Guter Lebensabend NRW“ wird finanziert durch das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW.

https://www.mkffi.nrw/modellprojekt-guter-lebensabend-nrw

DRK Kreisverband Herford-Stadt e.V.
Integrationsagentur

Wittekindstraße 21

32051 Herford

Tabea Biber
Telefon: 0162 81 77 487

Bilge Karagöz
Telefon: 0151 11 01 94 62

guterlebensabend@drk-herford.de